Max Lehner in der NS-Zeit – Geschichte einer Verfolgung
Autor: Dr. Guido Hoyer
„…1918 / 1919 […] wurde die deutsche Front […] von Juden und Verbrechern hinterhältig erdolcht. […] Wir haben dann bis 1933 sehen müssen, dass in Deutschland die Juden ihre Herrschaft ausübten, dass die Finanzgewalt, Theater, Presse usw. in der Hauptsache in jüdischen Händen lag und dass auch die Inflation ein Werk der Juden war. […] Diesem internationalen Judentum war es gelungen, sich in den deutschen Volkskörper einzunisten und ungeheuren Schaden anzurichten. […] Wir haben bisher nichts getan in Freising gegen die Juden und auch nichts gegen die Judenknechte. Wir werden nun aber sorgen, dass Freisings Geschäftswelt nicht mehr von Juden belästigt wird.“ ((Allgemeine Empörung der Freisinger Bevölkerung gegen die jüdische Mordtat, Freisinger Nachrichten (im folgenden FN), 11.11.1938))
Am Abend des 10. November 1938 hörten mehrere Tausend Freisinger Hetzreden wie diese des NSDAP-Kreisleiters Carl Lederer. Die Versammlungssäle im Collosseum, dem heutigen „Woolworth“, dem Stiegl-Bräu, Grünen Hof und Neuwirt in Neustift waren gut gefüllt. ((Lederer sprach im Collosseum. Als weitere Redner werden genannt: Bezirksschulrat Lenz (Stiegl-Bräu), Kreisschulungsleiter Dr. Nickl (Grüner Hof) und Ortsgruppenleiter Dr. Kattermann (Neuwirt). FN, 11.01.1938))
Im Anschluss an die Hetzkundgebungen, nach neun Uhr abends, machte sich ein Mob von 3.000 Personen auf den Weg, Freising, „judenfrei“ zu machen. Mehrere jüdische Bürger Freisings, Siegfried Neuburger, Oskar Holzer und Max Schülein waren bereits im Rahmen der deutschlandweiten Pogrome, die man zynisch Reichskristallnacht nannte, in das KZ Dachau verschleppt worden.
Über die folgenden Ereignisse gibt es einen Polizeibericht, eine geschönte, offiziöse Version ganz in der Diktion der Nazis:
„Ein Trupp dieser Leute, vielleicht 200 Personen, zog vor das Haus des Juden Holzer […]. Sie forderten, dass die Tochter des Juden, Irma Holzer, eine äußerst freche und unverschämte Jüdin, herauskomme. Der Aufforderung kam sie nach. Nun wurde sie auf der Straße etwa 100 m weit zum „Anschauen“ herumgeführt. […] Von der Schutzpolizei wurde sie zu ihrem persönlichen Schutz in Haft genommen […]. Etwa zur gleichen Zeit wurde der arische Rechtsanwalt Max Lehner, der judenhörig ist und bei Geldeintreibungen Juden vor Gericht vertritt, mit Gewalt aus seiner Wohnung geholt. Es begab sich ein Trupp vor seine Wohnung und forderte ihn auf, herauszukommen. Da nicht geöffnet wurde, ist die Wohnungstüre eingedrückt worden, auch ging eine Fensterscheibe in Trümmer. Es wurde ihm dann [ein] Transparent „Juda verecke“ [sic!] in die Hand gedrückt, das er eine längere Wegstrecke tragen musste. In seiner Wohnung erhielt er ein paar Ohrfeigen. […] Nachdem die Schutzpolizei mit der Unterbringung der Jüdin fertig war, rückte sie aus und nahm auch Lehner fest. Er wurde zu seiner persönlichen Sicherheit und auf seinen eigenen Wunsch in Schutzhaft genommen.“ ((Schutzpolizei der Stadt Freising: „Betreff: Judenaktionen.“, 11.11.1938, StAM, LRA 116523)) Nach der Familienüberlieferung war Lehner im Nachthemd, als man ihn durch die Straßen zerrte. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 23.01.2016))
Es gibt noch zwei weitere Versionen über die Aufschrift auf dem Schild: „Ich bin ein Judenknecht“ und „Raus Du Judengenosse“. (((Spruchkammer Freising-Stadt, Spruch Max Lehner, AZ J 619/47, 02.09.1947, Begründung., StAM Spruchkammern 3210 Lehner, Max („Judenknecht“); „Vormerkung“, wohl der NSDAP-Gauleitung Oberbayern, undatiert, Kopie im Archiv des Verfassers, freundliche Überlassung durch Luise Gutmann (Tochter von Max Lehner); (im Folgenden „Akten Lehner“), („Judengenosse“).)) Zum Ort der Ereignisse: Das Anwesen Holzer befand sich der Oberen Hauptstraße 9, Max Lehner wohnte an Plantagenweg 1. Der braune Mob zog also wohl aus der Altstadt durch die Ziegelgasse und Prinz-Ludwig-Straße. Auch wenn Quellen fehlen, darf angenommen werden, dass die Aktion gegen Irma Holzer und Max Lehner geplant war, wie dies aus anderen Orten belegt ist. Überall wurde der Terror der Pogromnacht als „spontane Aufwallung des Volkszorns“ ausgegeben, war aber von der Nazipartei sorgfältig vorbereitet.
Diese Terroraktion der Freisinger Nazis war ein Wendepunkt im Leben von Max Lehner, auch wenn er am nächsten Tag aus dem Freisinger Gefängnis in der Fischergasse wieder entlassen wurde. Die Freisinger Nazis hatten nicht vor, ihn in Ruhe zu lassen; sie wollten seine Existenz vernichten.
Bevor wir das weitere Schicksal von Max Lehner verfolgen, müssen wir untersuchen, warum der Mann, der seit 1933 eine erfolgreiche Anwaltskanzlei betrieb, ((Max Lehner studierte vom Sommersemester 1925 bis Wintersemester 1928/1929 an der Ludwig-Maximilians-Universität München Jura. Staatsexamen 2.02.1929 und 28.07.1932, Vereidigung am 31.12.1933, Personenverzeichnisse LMU München, Fragebogen Max Lehner, undatiert [wohl 1939], Akten Lehner)) von den Nazis derart gehasst wurde.
Zunächst zur Familie: Maximilian August Jakob Lehner, geboren am 12. Oktober 1906 in Freising, war in seinem bisherigen Leben politisch nicht hervorgetreten, wohl aber sein Vater, der Postbeamte Jakob Lehner, der seit 1929 für die Bayerische Volkspartei im Freisinger Stadtrat gesessen hatte und sein Mandat im Zuge der „Gleichschaltung“ im April 1933 verlor. ((FN 11.12.1929)) Jakob Lehner, so Kreisleiter Carl Lederer 1940, „benahm sich in seinem Amte […] als Gegner des Nationalsozialismus. Der Kampf gegen ihn wurde solange geführt, bis er endlich durch die Reichspost in Pension geschickt wurde. Der Vater des Lehner steht auch heute noch ablehnend der Bewegung gegenüber und zeichnet sich dadurch aus, dass er bei Sammlungen usw. den Beweis seiner gegnerischen Einstellung zeigt.“ ((NSDAP-Kreisleitung Freising, Kreisleiter Carl Lederer an Staatsministerium des Inneren, Staatssekretär Max Köglmaier, 08.03.1940, Akten Lehner))
Neben dem Vorwurf, Juden juristisch zu vertreten, scheinen die Anschuldigungen des Kreisleiters Lederer gegen Max Lehner weitgehend substanzlos; so ist von seiner „maßlose(n) Art“ die Rede, den Hitlergruß habe er „in lächerlicher Weise“ angewandt. „Durch seine strenge konfessionelle Einstellung“ habe es Max Lehner verstanden, „den gleichgesinnten Teil der Bevölkerung an sich zu ziehen.“ ((a. a. O.))
Auf diese Vorwürfe gibt es eine Antwort von Max Lehner, der um seine Existenz kämpfen musste und daher verständlicherweise versuchte, die Vorwürfe zu entkräften. Zur Behauptung, er würde den „Deutschen Gruß“ schlampig anwenden, meinte er, „dass ich vielleicht das eine oder andere Mal eine Persönlichkeit im Auto wegen meiner herabgesetzten Sehkraft erst spät erkannte und dass dann der Gruß etwas flüchtig geworden ist.“ ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 19.03.1940, Akten Lehner)) Bemerkenswert ist Max Lehners Verneinung der „streng konfessionellen Einstellung“. Er gibt an, „an kirchlichen Veranstaltungen (auch Sonntagsmesse u. dergl.), abgesehen von ganz vereinzelten Fällen, nicht teilgenommen“ zu haben. ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 190.3.1940, Akten Lehner)) Noch überraschender wirkt die Mitteilung des späteren Oberbürgermeisters, „die letzten Jahre vor dem Umbruch nicht zu den damals zahlreichen Wahlen“ gegangen zu sein: „Das damalige Parteigetriebe war mir unangenehm.“ ((a. a. O)) Der Sohn eines BVP-Stadtrats ein Nichtwähler?
Nochmals sei der aus der Zwangslage heraus apologetische Charakter der Stellungnahme betont. Dennoch: Waren nicht Angaben über Wahlbeteiligung anhand von Wählerverzeichnissen überprüfbar? Könnte demnach etwas Wahres an dieser Aussage sein?
In einem Fall zumindest hatte Lehner an einer Wahl teilgenommen: Zufällig hat sich im Stadtarchiv für eine der sechs Wahlen zwischen 1929 und 1933 ein Wählerverzeichnis erhalten, das Max Lehner und seinen Vater Jakob als abstimmend aufführt. ((„Gemeindewahl 1929 Vorbereitung und Durchführung“, StadtAFS, Altakten III – 98)) Es war die Stadtratswahl 1929 – hier wäre es freilich schwer vorstellbar gewesen, dass der Sohn eines Mannes, der erstmals für den Stadtrat kandidierte, nicht zur Wahl ginge.
Mag also das Bekenntnis zur Wahlenthaltung zutreffen oder nicht: Immerhin fällt auf, dass der Mann, der 22 Jahre an der Spitze der Stadt Freising stand, zeitlebens parteilos war. „Parteigetriebe“ war demnach Lehners Sache nicht.
Nach 1945 konnte Max Lehner sein Verhältnis zu den Nazis wahrheitsgemäß schildern. Trotzdem trügt die Hoffnung, dass jetzt die Quellen zu Lehners Widerstand gegen das NS-Regime reichlicher flössen. Denn Max Lehner war kein Mann großer Worte, der sich als großer Widerstandskämpfer dargestellt hätte. Ich habe eine einzige schriftliche Äußerung aus dem Jahr 1947 gefunden, die ein paar Details preisgibt, wobei auch das etwas übertrieben ist: Denn zu den Auseinandersetzungen mit den Nazis, die Lehner in diesem Schreiben in einigen Spiegelstrichen stichpunktartig aufzählt, nennt er teils nur Nachnamen ohne weitere Angaben, teilweise gar keine Namen.
Im Freising des Jahres 1947 kannte wahrscheinlich jeder jeden und die Ereignisse waren frisch im Gedächtnis. Heute dagegen ist es sehr schwierig, die Sachverhalte zu klären. Um zwei Beispiele zu nennen: Beim Internationalen Suchdienst Bad Arolsen, wo Millionen Datensätze von NS-Opfern gespeichert sind, bleibt die Suche nach einem KZ-Häftling, von dem man nur einen Nachnamen ohne weitere Eingrenzungsmöglichkeiten hat, erfolglos.
1947 hatte die Spruchkammer Lehner noch attestiert: „Dass der Betroffene … sich gegen jede Umbiegung des Rechts im nationalsozialistischen Sinne öffentlich in den Sitzungen des Amtsgerichts gewendet hat, dafür bieten die Akten des Amtsgerichts eine erhebliche Anzahl von Beweisen.“ ((Spruchkammer Freising-Stadt, Spruch Max Lehner, AZ J 619/47, 02.09.1947, Begründung, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner)) Heute sind die betreffenden Gerichtsakten verschollen, wahrscheinlich der Aktenvernichtung zum Opfer gefallen.
Die Forschung hat also noch ein weites Feld und ich kann heute nur ein Zwischenergebnis präsentieren.
In dem genannten Schreiben fasste Max Lehner zusammen, was die Richtlinie seines Handeln als Wahrer des Rechts gewesen war: „Der Nationalsozialismus war eine Gewaltherrschaft ohne Recht für den einzelnen. Er hat die früheren Gesetze vielfach formell aufrecht erhalten, in Wirklichkeit haben seine Organe willkürlich gehandelt und sich über die Gesetze hinweggesetzt. Außerdem gab es aber die spezifisch nat.soz. Gesetze, wie das Heimtückegesetz, das Erbgesundheitsgesetz usw.
Der Rechtsanwalt hatte die Aufgabe, in den ersteren Fällen das formell noch bestehende Gesetz zum Schutz des Einzelnen gegen Willkürakte zur Geltung zu bringen und in den letzteren Fällen den einzelnen vor den formell gültigen nat.soz. Gesetzen zu schützen. Dagegen hat es kein nat.soz. Verbot gegeben, die Partei hat sich eine solche Blöße nicht gegeben nach außen. Die gefährlichsten Verbote aber waren die unausgesprochenen. Inhalt dieser Rechtsanwaltstätigkeit aber war -trotz dieser unausgesprochenen Verbote- Widerstand gegen das nat.soz. Unrecht, die Gewaltherrschaft, zu leisten.“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner))
In diesem Sinne war er als Anwalt tätig gewesen: „Bei Freund und Feind galt ich als Anwalt der Nichtnazi.“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 14.04.1947, Akten Lehner))
Lehner zählt stichpunktartig auf:
Mietsachen, bei denen sich Parteifunktionäre eingemischt hätten, „um rechtskräftige Urteile gegen Pgs. durch Druck auf die Gegenseite außer Wirkung zu setzen.“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner))
„Gegen verschiedene bei der Kreisleitung besonders geschätzte Parteileute habe ich Beleidigungsklagen von Nicht-Pgs geführt.“ ((a. a. O.))
„Vielfach wurde ich um Rat angegangen, wie Parteizumutungen und Zwangsmaßnahmen der Partei auszuweichen sei.“ ((a. a. O.))
Max Lehner verteidigte Hans Beck gegen eine Körperverletzungsklage „die die HJ politisch ausschlachten wollte (Hetze gegen ehemalige Angehörige anderer Jugendbünde), so […], dass der Bannführer Benkert als Zeuge mich und meinen Klienten als politisch unzuverlässig in öffentlicher Sitzung des Landgerichts bezeichnete und mich später auf der Straße beschimpfe.“ Hier geht es offenbar um eine Schlägerei zwischen Hitlerjugend und katholischen Jugendlichen. Hans Beck, am 28. Januar 1919 in Freising geboren, wohnhaft am Domberg 4, ((Eltern: Johann Beck, Obermüller und Rosa, geb. Bichlmeier. Hans Beck wurde am 02.04.1938 zum Reichsarbeitsdienst einberufen. Meldekarte Rosa Beck, StadtAFS.)) war Angehöriger der Pfadfinderschaft St. Georg, die als katholische Jugendorganisation bald nach der Machtübernahme ins Visier der Nazis geraten war. Anlässlich der Auflösung eines Treffen der Pfadfinder an der Waldkirche Oberberghausen am 29. April 1934– auch hier war Hans Beck dabei- hatte die Freisinger Polizei das Verbot der Pfadfinder gefordert: „Die konfessionellen Jugendverbände in Freising stehen im groben Gegensatze zu HJ und [Jungvolk] und es sind täglich, fast stündlich, Reibereien zwischen beiden Teilen zu befürchten.“ ((Polizei Freising an bayerische politische Polizei München, 30.04.1934, StadtAFS))
Eine der Aufgaben der Hitlerjugend war es, die Jugend auf dem Krieg vorzubereiten. Bei einer Schießübung der HJ am Haager Wasserkraftwerk, am 2. Weihnachtsfeiertag eines Jahres zwischen 1933-1937 wurde ein Jugendlicher von einem Kameraden versehentlich erschossen. Nach der Erinnerung einer Haager Zeitzeugin hieß der Tote Rudi Huber, Hausname Metzger Lenz. ((Freundliche Mitteilung von Theresia Schindlbeck, Haun, 23.01.2016. Frau Schindlbeck datiert den Vorfall auf 26.12.1940. Die Jahresangabe kann nicht zutreffen, da Max Lehner zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Rechtsanwalt tätig war. Der Todesschütze soll Max Grassl, Hofname Kramer, gewesen sei, der später im 2. Weltkrieg fiel.)) Die NSDAP-Kreisleitung wollte den Vorgang vertuschen, der Vater des Opfers, der Schmerzensgeld einklagen wollte, fand keinen Anwalt – außer Max Lehner. ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner))
Bei der Vertretung von jüdischen Bürgern vor Gericht ging es ebenfalls darum, „formell noch bestehende Gesetz zum Schutz des Einzelnen gegen Willkürakte zur Geltung zu bringen.“ Lehner vertrat Max Schülein in Mietsachen und Oskar Holzer und Siegfried Neuburger in Geschäftsangelegenheiten. Für einen der letzteren hatte er einen „Mahnbrief wegen einer unstreitigen, durch Warenkauf begründeten Restforderung von ca. 20,- RM, für die schon mehrmals Stundung gewährt worden war“ geschrieben. ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 19.03.1940, Akten Lehner )) Die Entrechtung der Juden hatte also auch eine ganz handfeste materielle Seite – bei jüdischen Geschäftsleuten gekaufte Waren wurden einfach nicht mehr bezahlt.
Was mit dem „Gesetz der Verhütung erbkranken Nachwuchses“ bezweckt wurde war beispielsweise in den „Freisinger Nachrichten“ unter dem Titel „Freising und die Erbkranken“ nachzulesen: „Ungeheure Beträge sind […] für die Kategorie jener Menschen, die ihre Krankheit vererben, ausgegeben worden […] Nimmt man die ganze Gruppe dieser körperlich und geistig Minderwertigen, so ergibt sich, dass etwa 80 Einwohner einen Dauerkranken ernähren müssen. […] Freising muss im Jahr den Betrag von 160.000 Mark aufbringen…“ ((„Freising und die Erbkranken“, FN, 05.10.1933)) Die wenigen Akten, die in einem Bestand des Landratsamtes im Staatsarchiv über Zwangssterilisationen erhalten sind, geben einen Einblick in den Naziterror: Da gibt es beispielsweise einen Erbstreit zweier Brüder, wo ein Bruder den anderen kurzerhand für „geisteskrank“ erklären lassen will, ein Heimkind aus Birkeneck, Martin Niedermaier, mit 14 Jahren als „angeboren schwachsinnig“ sterilisiert, später im KZ Flossenbürg als sog. „Zigeuner“. Immer wieder wehrten sich die Betroffenen und ihre Familien, mussten von der Polizei zwangsweise vorgeführt werden.
Es ist bekannt, dass Lehner zahlreiche Vormundschaften für sog. „Geisteskranke“ übernommen hatte ((Max Lehner an Leiter Abteilung X im Staatsministerium des Innern (Dr. Erwin Deischl), 19.03.1940, Akten Lehner )) und -nach eigenen Worten- in sog. „Erbgesundheits“-Verfahren „immer gegen Prinzipien der nat.soz. Gewaltherrschaft“ ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 02.08.1947, StAM, Spruchkammern 3210 Max Lehner)) auftrat. Über Einzelheiten schweigen leider die Quellen völlig.
Das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniform“, kurz Heimtückegesetz stellte regimekritische Äußerungen unter Strafe. Von den von Max Lehner vertretenen Opfern der Verfolgung, die in Konzentrationslager verschleppt wurden, kann ich – nach jetzigem Forschungsstand- zwei namhaft machen: „Fertl habe ich (wohl 1936) persönlich im KZ Dachau besucht und ihm damit mindestens eine moralische Stütze in der schweren Haft gegeben. Ich glaube, es hat sehr wenige Rechtsanwälte gegeben, die das gewagt haben.“ ((a. a. O.)) Es handelt sich um den Moosburger Metzgermeister Jakob Georg Fertl, (* 18. August 1895), der vom 31. August bis 23. Dezember 1937 im KZ Dachau inhaftiert war. ((Häftlingsdatenbank, Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau)) Der „Schutzhaftbefehl“ war vom Landratsamt Freising ausgestellt worden. 1950 war Fertl Zeuge im Verfahren gegen den SS-Mann Hans Steinbrenner, einer der brutalsten Schergen in diesem Lager. Fertl gab dabei als Augenzeuge folgenden Vorfall zu Protokoll: „Für einen Juden, der erst kurz eingeliefert war, mussten Häftlinge ein Loch graben. In dieses Loch musste der Jude hineingestellt und das Loch wieder zugeschaufelt werde. Der Jude stand bis zur Brust eingegraben. Mittags […] wurde der Jude von den Häftlingen eigenmächtig ausgegraben. Er war bewusstlos. Er wurde dann von der SS mit Wasser übergossen und dann abends mit den Kleidern an einen Mast hingenagelt. Ich habe dann erfahren, dass dieser Jude […] gestorben ist.“ ((Zeugenaussage Jakob Fertl, 30.05.1950, StAM Staatsanwaltschaften 34462/5, S. 138))
Über Max Lehners Klienten Ludwig Ascherl aus Nandlstadt, im KZ Dachau vom 25. Januar 1936 bis zum 22. Oktober 1936 ((Häftlingsdatenbank, Archiv der KZ-Gedenkstätte Dachau)), ist folgendes zu erfahren: Im Herbst 1934 war er mit den Nazis in Konflikt geraten. Die Polizei wiegelte eine erste Denunziation zunächst noch ab: „Ascherl ist ein dummer unerfahrener einfältiger Mensch, der lediglich auf den schädlichen Einfluss ehemaliger Angehöriger der B.V.P., im Rausch das nachsagt, was er zuweilen von jenen hört.“ ((Gendarmeriestation Nandlstadt an Bezirksamt Freising, 11.09.1934, StAM LRA 116516)) Ascherl hatte im Wirtshaus Tafelmeier in Nandlstadt die Geldverschwendung anlässlich der “Reichsparteitage” angeprangert und dann, vermutlich an die Adresse des jungen SA-Manns gerichtet, der ihn dann denunzierte: „Wir waren im Krieg und haben für die Lausbuben gekämpft, die uns heute knechten.“ ((a. a. O.))
Er protestierte auch gegen die Verhaftung des Gütlers Johann Wimmer, der wenige Wochen zuvor “wegen Beleidigung des Führers” in sog. “Schutzhaft” im Moosburger Gefängnis genommen worden war. ((Gendarmeriestation Nandlstadt an Bezirksamt Freising, Politischer Wochenbericht, 14.09.1934, StAM LRA 116516)) „Der ist ein altes Weib, der den Wimmer Hans fort hat.“, meinte er. ((Gendarmeriestation Nandlstadt an Bezirksamt Freising, 11.09.1934, StAM LRA 116516))
Ascherl, geb. am 02. Juli 1897, war Futtermittelhändler und es zeigt sich an der Aussage eines zweiten Belastungszeugen, eines Bauern aus Kitzberg, dass auch Sozialneid mitspielte: „…ich hätte ihn unter den Stuhl hinuntergeschlagen, weil sich der Faulenzer sein Leben lang noch kein Stück Brot mit seiner Hände Arbeit verdient hat. Der lebt nur von den Provisionen aus dem Futtermittelhandel und wir Bauern müssen diese bezahlen.“ ((a. a. O.))
Für den Fortgang der Ereignisse fehlen wieder die Gerichtsakten. Immerhin ist zu erfahren, dass das Sondergericht München, bei dem das Verfahren nach dem sog. „Heimtückegesetz“, das regimekritische Äußerungen unter Strafe stellte, anhängig war, das Verfahren an das Landgericht München II überwies, letzteres das Verfahren im Juli 1935 einstellte. ((Staatsanwaltschaft am Landgericht München II an Bezirksamt Freising, 12.07.1935, StAM LRA 116516)) Die Schriftsätze des Anwalts Max Lehner werden zu dieser Einstellung beigetragen haben. Der Fall Ascherl zeigt exemplarisch die Willkür des Naziregimes. Ludwig Ascherl kam ins KZ, nachdem die Gerichte eine Verurteilung selbst nach den Unrechtsgesetzen der Nazis abgelehnt hatten und wurde fast ein Jahr dort gequält.
Nach 1945 engagierte sich Ludwig Ascherl in der VVN, der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.
Nach diesem Überblick über Mandanten und Fälle Max Lehners wollen wir sein weiteres Schicksal verfolgen.
Lehner hatte nicht vor, sich vom Terror der Pogromnacht einschüchtern zu lassen. Als aber der Rechtsanwalt Lehner am 14. November 1938 wieder vor dem Amtsgericht auftrat wurde er im Gerichtssaal von einem Polizisten festgenommen und zu NSDAP-Kreisleiter und Oberbürgermeister Hans Lederer gebracht. Dieser stellte ihm das Ultimatum, binnen zwei Monaten Freising und Süddeutschland zu verlassen, ansonsten käme er in „Schutzhaft“. ((Max Lehner an Spruchkammer Freising-Stadt, 14.04.1947, Akten Lehner))
Lehner musste sich anderswo eine Existenzmöglichkeit suchen und ging nach Meißen in Sachsen, wo er Anfang Januar 1939 versuchte, als Anwalt zugelassen zu werden. ((Oberlandesgerichtspräsident Dresden an Max Lehner, 09.01.1939, Akten Lehner)) Max Lehner wurde jedoch vorgeworfen, mit der juristischen Vertretung von Juden, gegen die Berufsehre gehandelt zu haben, und man leitete ein Ehrengerichtsverfahren ein, das dann aber doch eingestellt wurde, da die Rechtslage eindeutig war. Anwaltschaftliche Vertretung von Juden war zwar aus nationalsozialistischer Sicht unerwünscht, aber noch nicht ausdrücklich verboten worden. ((Nationalsozialistischer Rechtswahrer-Bund, Gauehrengericht München-Oberbayern an Rechtsanwalt Dr. Ludwig Roder (von Max Lehner mit seiner Vertretung beauftragt), 30.06.1939, Akten Lehner, Max Lehner, „Anlage zum Fragebogen Max Lehner“ , undatiert [ca. 1947], Akten Lehner))
Mit der Erledigung des „Ehrengerichtsverfahrens“ ließ sich der „nationalsozialistische Rechtswahrer-Bund“, so der Name der Standesorganisation, Zeit: So erfolgte Lehners Zulassung als Rechtsanwalt erst nach 10 Monaten. In der Zwischenzeit lebte er, arbeitslos, von seinen Ersparnissen.
Nach wenigen Monaten als Rechtsanwalt in Meißen kehrte Max Lehner im Dezember 1939 nach Bayern zurück und erhielt eine Anstellung bei einer Außenstelle des Reichsverkehrsministeriums in München, das sein Studienfreund Dr. Erwin Deischl, ((Joachim Lilla: Deischl, Erwin, in: ders.: Staatsminister, leitende Verwaltungsbeamte und (NS-)Funktionsträger in Bayern 1918 bis 1945, URL:
Im Februar 1940 wurde dies in Freising bekannt und NSDAP-Kreisleiter Carl Lederer betrieb Lehners Entlassung: „Rechtsanwalt Max Lehner, der in Freising als Gegner des nationalsozialistischen Staates bekannt war, hat bis Anfangs November 1938 (Judenaktion) Freisinger Juden vor Gericht noch vertreten. Diese Charakterlosigkeit wurde allgemein bekannt und Lehner sah sich gezwungen, seine Praxis in Freising gegen eine solche in Mitteldeutschland auszuwechseln. Damit war für Freising der Fall Lehner erledigt. Wie ich nun erfahre, soll Lehner im Bayer. Innenministerium eine Anstellung erhalten haben. Sollte dies zutreffen, so bitte ich, bemüht zu sein, dass die zuständigen Stellen von der politischen Unzuverlässigkeit des Lehner erfahren und seine Abberufung unverzüglich tätigen.“, so der Kreisleiter an die Gauleitung. ((NSDAP-Kreisleitung Freising, Carl Lederer, an NSDAP-Gauleitung München-Oberbayerrn, Gaurechtsamt, 02.02.1940, Akten Lehner))
Lederer hatte jedoch vorläufig keinen Erfolg; wie aus einem undatierten Aktenvermerk hervorgeht, wollte der Kreisleiter „bei der vorgesetzten Dienststelle des Lehner vorsprechen. Dabei wurde er glatt abgefertigt und musste er unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren. Auch dieses Vorkommnis wirkte sich in Freising nicht günstig aus und ist vornehmlich für den Kreisleiter und seinen Einfluss auf die Bevölkerung eine nicht tragbare Situation geworden.“ ((„Vormerkung“, wohl der NSDAP-Gauleitung Oberbayern, undatiert, Akten Lehner))
Deischl, PG seit 1933, verteidigte seinen Mitarbeiter Lehner vehement: „Die Anstellung ist erfolgt, nachdem von Seiten der Geheimen Staatspolizei geprüft worden war, ob er die Voraussetzungen zur Ausübung seines Dienstes in politischer, spionagepolizeilicher und strafrechtlicher Hinsicht erfüllt. Von Seiten des Sicherheitsdienstes ist auf die angezogenen Vorfälle in Freising hingewiesen worden. Politische Bedenken über seine Verwendung sind aber, wie die Geheime Staatspolizei ausdrücklich vermerkt, bei der vorgesehenen Verwendung nicht vorhanden.“
Lehner lege „außerordentliche Sachkenntnis und überdurchschnittlichen Fleiß an den Tag“, habe „Aktenrückstände von Monaten“ aufgearbeitet. An die Adresse des Kreisleiters gerichtet fuhr Deischl fort: „Es ist Aufgabe der Partei […] alle Kräfte, die irgendwie für den Dienst des Vaterlandes eingesetzt werden können, unbehindert bei den gestellten Kriegsaufgaben zur vollen Entfaltung zu bringen. Selbst wenn Rechtsanwalt Lehner […] gegen Grundsätze verstoßen hat, deren Einhaltung ihm die Freisinger Vorfälle erspart hätte, so müssen in der jetzigen Zeit auch von den unteren Parteistellen derartige Dinge hinter den großen Aufgaben des Krieges zurückgestellt werden und an der inneren und äußeren Front jedem, also auch RA. Lehner die Möglichkeit gegeben werden, durch kriegswichtige Dienste dem Vaterland sein Bestes zu geben. Die heutige Zeit erfordert positive Arbeit und erlaubt nicht, Dinge auszugraben, die als erledigt anzusehen werden müssen und können.“
Waren schon diese Ausführungen ziemlich forsch, so dürfte Erwin Deischl dann deutlich über das Ziel hinausgeschossen zu sein, als er drohte: „Sollte die Angelegenheit hiermit nicht auf sich beruhen bleiben, so würde ich Rechtsanwalt Lehner nahelegen, ein Gesuch an die Kanzlei des Führers zu richten; ich selbst würde dem Chef derselben, Herrn Reichsleiter Bouhler, in dieser Angelegenheit persönlich Vortrag halten.“ ((Staatsministerium des Innern, Abteilung X (Dr. Erwin Deischl), „Aktenvermerk in der Angelegenheit Max Lehner“, 20.3.1940, Akten Lehner)) Deischls Vorgesetzter, Staatssekretär Max Köglmeier, ((Biographie: https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Köglmaier)) wies dessen Aktenvermerk mit der „Belehrung“, dass Deischl seine Kompetenzen überschritten habe, „als für die weitere Behandlung ungeeignet“ zurück. ((Staatssekretär Max Köglmaier an Dr. Erwin Deischl, 21.02.1940, Akten Lehner))
Fast ein Jahr – bis Dezember 1940 – währten die Auseinandersetzungen um Lehner, Dr. Deischl musste seinen Mitarbeiter letztendlich aufgeben: „Im Dezember 1940 hatte der [Beauftragte für den Nahverkehr] einen […] Angestellten zur Verwendung im besetzten Gebiet abzugeben. Ich meldete Lehner, weil er wegen der politischen Schwierigkeiten in München nicht mehr zu halten war.“ ((Dr. Erwin Deischl, Erklärung an Eidesstatt, 20.09.1946, Akten Lehner))
Dr. Erwin Deischl konnte sich für Lehner nicht mehr verwenden, denn seine Karriere endete abrupt mit seiner Entlassung im Mai 1942. Deischl hatte sich „in herabsetzender Weise“ über Nazigrößen, darunter Göring, geäußert und habe durch „Darstellungen der Kriegsentwicklung die Abwehrkraft des deutschen Volkes zu schwächen versucht“, so die Gauleitung München-Oberbayern an Deischl. ((zitiert nach Lilla, a. a. O.))
Max Lehner wurde dann nach Brüssel zur Militärverwaltung Belgien und Nordfrankreich versetzt, wo er im Rang eines Kriegsverwaltungsrates für den Nahverkehr zuständig war.
Auch in dieser Position kam es zu Differenzen mit NS-Behörden, wie aus den von Max Lehner hinterlassenen Akten hervorgeht. Es gab, wie für viele Bereiche des Staatsapparats im Naziregime typisch, ein Kompetenzgerangel verschiedener Behörden. Neben der Militärverwaltung unter Dr. Harry von Craushaar ((https://de.wikipedia.org/wiki/Harry_von_Craushaar )) gab es eine Behörde des Vierjahresplans, geführt vom „Generalbevollmächtigten für das Kraftfahrwesen“, Generalleutnant Adolf von Schell. ((https://de.wikipedia.org/wiki/adolf_von_schell)) Bereits Ende Januar 1941, also nicht lange nach Max Lehners Dienstantritt in Brüssel, sah sich Dr. von Craushaar veranlasst, Lehner bei Schell gegen Angriffe aus dessen Dienststelle zu verteidigen. Es handle sich bei Max Lehner um einen „anständigen und ungewöhnlich tüchtigen Beamten.“ Der Militärverwaltungschef wehrte sich gegen Eingriffe in seine Kompetenzen: „Im fremden Land kann den Einwohnern gegenüber nur einer befehlen. Herr Lehner hat diesen Standpunkt von Anfang an, der Weisung des Militärverwaltungschefs entsprechend, mit aller Bestimmtheit vertreten.“ ((Militärverwaltungschef Dr. von Craushaar an Generalleutnant von Schell, Unterstaatssekretär im Reichsverkehrsministerium (Generalbevollmächtigter für den Nahverkehr), 24.01.1941, Akten Lehner)) Der Generalbevollmächtigte hingegen forderte Lehners Entlassung. Auch hier war eine Versetzung die Folge: Craushaar kommandierte Max Lehner für ein Jahr nach Lille, Nordfrankreich, ab. ((Dr. Erwin Deischl, Erklärung an Eidesstatt, 20.09.1946, Akten Lehner))
In Lille lehrte Max Lehner seine spätere Frau Viktoria Uhl kennen, die dort bei der Abwehr als Verwaltungsangestellte tätig war und u. a. mit dem späteren SPD-Politiker Carlo Schmid bekannt war. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 22.01.2016)) Viktoria Uhl (* 12.12.1912 in Brand im Fichtelgebirge, wohnhaft in Mochenwangen, Kreis Ravensburg ((Meldekarte Viktoria Lehner, StadtAFS))), hatte ein für die damalige Zeit ungewöhnliches Frauenleben geführt. Sie hatte von 1932 bis Kriegsbeginn im Ausland gearbeitet, beispielsweise in England als Zofe, in Frankreich als Mitarbeiterin des Welttierschutzvereins auf der Weltausstellung, Nach einer Erinnerung in der Familie war es in Italien zu einem Vorfall gekommen, bei dem ein SS-Mann, der es verwerflich fand, dass eine deutsche Frau im Ausland arbeite, Viktoria Uhl den Reisepass wegnahm, den sie sich aber wieder beschaffen konnte. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 22.01.2016))
Worum ging es bei den Vorwürfen gegen Lehner? Während der „Generalbevollmächtigte“ die völlige Ausplünderung Belgiens betrieb, habe Lehner „seine erste Aufgabe in der Sorge für die Aufrechterhaltung des zivilen Straßenverkehrs gesehen und hat sich hierbei wiederholt in Gegensatz zu Stellen der Wehrmacht und des Vierjahresplanes gesetzt.“ ((Walther Wetzler, Eidesstattliche Erklärung, 20.09.1946, Akten Lehner))
In mehreren Fällen trat er Beschlagnahmungen entgegen, teilweise auch mit Erfolg. In einzelnen ging es um zahlreiche Pkws, 459 Lastwagen, an die 100 Straßenbahnwagen, die in deutsche Städte verbracht wurden und 300 km Gleise der Kleinbahn, die in der besetzten Ukraine Verwendung fanden.
Über die Zeit nach Beendigung des Dienstes in Brüssel – Dezember 1944 – schweigen die Quellen wieder. In der Familie meint man, dass Max Lehner in Siegen, Westfalen als Soldat eingekleidet und für einige Wochen nach Jugoslawien zur Partisanenbekämpfung abkommandiert worden sei. Dann sei er aber wieder in einer Dienststelle in Berlin tätig gewesen, wohin ihm seine spätere Frau nachgereist sei, was nicht ungefährlich war, da sich der Kessel um Berlin zu schließen begann. ((Freundliche Mitteilung von Luise Gutmann, 22.01.2016))
Wann genau Max Lehner wieder in seine Heimat Freising zurück kam, ist unbekannt. Im Februar 1946 heiratete er in Freising. Aber sein Leben nach 1945 und seine 22-Jährige Amtszeit als Oberbürgermeister wäre Thema für einen weiteren abendfüllenden Vortrag.